Am 22.11.2024 hat der Bundesrat dem Jahressteuergesetz (JStG) 2024 zugestimmt, welches eine Vielzahl von steuerlichen Regelungen ändert und ergänzt. Besonders betroffen sind …
Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 04.04.2022 verfügt, dass für Betriebe gewerblicher Art (BgA) von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ab dem Veranlagungszeitraum 2022 zwingend ein steuerliches Einlagekonto nach § 27 KStG zu führen und jährlich fortzuschreiben ist. Bisher bestand hier in der Praxis in vielen Fällen ein Wahlrecht, ob dieses freiwillig geführt wird. Was es mit dem steuerlichen Einlagekonto auf sich hat und welche Folgen sich für die Steuererklärungen von BgA ab 2022 ergeben, erfahren Sie in diesem Fachbeitrag.
Was ist das steuerliche Einlagekonto und wofür ist es relevant?
Beim steuerlichen Einlagekonto handelt es sich nicht um ein Bankkonto oder um ein Konto innerhalb der Buchführung, sondern es stellt lediglich eine steuerliche Rechengröße dar und wird nur fiktiv und für ertragsteuerliche Zwecke geführt. Das steuerliche Einlagekonto bildet die Summe der (über das Nennkapital hinausgehenden) Einlagen eines Gesellschafters in eine Gesellschaft ab. In diesem Umfang gelten Auszahlungen aus der Gesellschaft an den Gesellschafter nicht als steuerpflichtige Ausschüttungen, sondern als steuerfreie Einlagenrückgewähr. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass eine Rückzahlung von früheren Einlagen keinen durch den Betrieb erwirtschafteten Gewinn darstellt, der versteuert werden müsste. Um eine solche Rückzahlung von einer laufenden Gewinnausschüttung abzugrenzen und das auch noch über viele Jahre hinweg, braucht es eine Möglichkeit die Einlagen verbindlich festzuhalten. Dafür nutzt man das steuerliche Einlagekonto.
Das steuerliche Einlagekonto ist grundsätzlich jährlich fortlaufend und zeitlich unbegrenzt zu führen. Sein Bestand wird jeweils zum Jahresende vom Finanzamt durch einen Bescheid gesondert festgestellt. Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos ermittelt sich vereinfacht aus dem Bestand des Vorjahres zuzüglich neuer Einlagen und abzüglich Einlagenrückgewähr im laufenden Jahr. Für eine steuerlich wirksame Einlagenrückgewähr ist eine formelle Bestätigung über die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos mittels offizieller Bescheinigung notwendig.
Das steuerliche Verhältnis von einem BgA zu seiner Trägerkörperschaft entspricht dem Verhältnis von einer Kapitalgesellschaft zu ihrem Gesellschafter (vgl. BFH vom 09.08.1989, I R 4/84). Daher sind die Grundsätze zum steuerlichen Einlagekonto genauso auch auf BgA anzuwenden, vgl. § 27 Abs. 7 KStG.
Ausschüttungen eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit an seine Trägerkörperschaft können nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) EStG der Kapitalertragsteuer unterliegen, wenn die dort genannten Grenzen von 350.000 Euro Umsatz oder 30.000 Euro Gewinn pro Jahr überschritten werden oder der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird. Dabei gilt der Gewinn des BgA immer dann als ausgeschüttet, wenn er nicht den Rücklagen zugeführt wird. Die Bezüge gehören jedoch dann nicht zu den Einnahmen und unterliegen demnach nicht der Kapitalertragsteuer, soweit sie aus Ausschüttungen stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto als verwendet gelten.
Zur Ermittlung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos bei BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist zur Körperschaftsteuererklärung die Anlage KSt 1 Fa einzureichen. Das Finanzamt wird dann neben dem Körperschaftsteuerbescheid für den jeweiligen BgA noch einen „Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG“ erlassen.
Welche Änderung gibt es ab 2022 und warum?
Bisher war das Führen des steuerlichen Einlagekontos für BgA zumeist freiwillig und in der Praxis mangels kapitalertragsteuerpflichtigen Ausschüttungen oft nicht notwendig. Das BMF-Schreiben vom 04.04.2022 ändert das bestehende BMF-Schreiben vom 28.01.2019 („Auslegungsfragen zu § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG bei Betrieben gewerblicher Art als Schuldner der Kapitalerträge“). Die entscheidende Änderung besteht darin, dass das steuerliche Einlagekonto zukünftig zwingend und fortlaufend zu führen ist. Außerdem stellt das BMF dar, wie im Zweifel der Anfangsbestand zu ermitteln ist.
Die Anpassung war notwendig geworden, weil der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 30.09.2020 zu Fragen der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos bei BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit entschieden hatte. Nach den Urteilsgrundsätzen ist das steuerliche Einlagekonto eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit unabhängig davon festzustellen, welche Gewinnermittlungsart beim BgA vorliegt oder, ob die jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) Satz 1 EStG überschritten sind. Die Urteilsgrundsätze sind nach dem BMF-Schreiben nun ab dem letzten in 2022 endenden Wirtschaftsjahr allgemein anzuwenden.
Es kam in der Vergangenheit immer wieder zu praktischen Problemen bei der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos bei BgA, wenn sich Jahre mit kapitalertragsteuerpflichtigen Ausschüttungen und Jahre ohne solche Ausschüttungen abwechselten und die Verpflichtung zur Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos in einigen Jahren bestand und in anderen Jahren nicht.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2022 gehören diese Probleme der Vergangenheit an, da das steuerliche Einlagekonto nunmehr zwingend jährlich fortzuschreiben ist. Das führt jedoch konkret für das Jahr 2022 zu teils erheblichem Ermittlungsaufwand bei der (erstmaligen) Feststellung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos.
Was gibt das BMF-Schreiben vom 04.04.2022 vor?
Wenn für einen BgA bisher durchgängig ein steuerliches Einlagekonto festgestellt wurde, ergibt sich der Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos jeweils nach § 27 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 7 KStG. Wenn das steuerliche Einlagekonto des BgA also zum 31.12.2021 bereits gesondert festgestellt ist, ergeben sich für das Wirtschaftsjahr 2022 keine größeren Probleme. Der Bestand ist nach den allgemeinen Grundsätzen fortzuschreiben und um die Einlagen im Jahr 2022 zu erhöhen, sowie um eventuelle Gewinnverwendungen zu mindern.
Bei gemeinnützigen BgA (gBgA) gilt für Zwecke der Kapitalertragsteuer der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Regiebetrieb. Das steuerliche Einlagekonto ist daher auch nur für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu führen. Für die übrigen drei Sphären im Rahmen der Gemeinnützigkeit (Zweckbetrieb, Vermögensverwaltung und ideeller Bereich) kann auch zukünftig auf die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos verzichtet werden.
Wenn für einen BgA bisher keine oder nicht fortlaufend eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos vorzunehmen war, ist nunmehr für die Feststellungen auf den Schluss des letzten in 2022 endenden Wirtschaftsjahres (Erstjahr) eine entsprechende Erklärung abzugeben und eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos vorzunehmen.
Aus Vereinfachungsgründen kann für BgA, für die bisher noch überhaupt keine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt ist, der Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos im Erstjahr aus der Summe des vorhandenen Eigenkapitals des BgA zu Beginn des im Erstjahr endenden Wirtschaftsjahrs, das das Nennkapital bzw. eine vergleichbare Kapitalgröße des BgA übersteigt, zuzüglich der seit dem Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren (2001) geleisteten Verlustausgleichseinlagen ermittelt werden. Geleistete Verlustausgleichseinlagen liegen auch vor, soweit der die Ausgleichszahlung begründende Verlust steuerlich durch Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung gemindert wurde. Gewinne eines Regiebetriebs begründen keine Eigenkapitalveränderung, wenn sie mangels Rücklagenbildung als an die Trägerkörperschaft abgeführt gelten; entsprechende Gewinne können folglich nicht im Anfangsbestand enthalten sein.
Diese Vereinfachungsregelung gilt auch für BgA, für die keine durchgängige Feststellung des steuerlichen Einlagekontos und keine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den Schluss des dem Erstjahr unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres erfolgt ist. Diesen BgA steht es aber auch frei, Erklärungen für die vorangegangenen Jahre bis zu dem Jahr abzugeben, in dem letztmalig eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt ist.
Sind die Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) EStG (350.000 Euro Umsatz oder 30.000 Euro Gewinn) in einem Wirtschaftsjahr nicht erfüllt, führen Eigenkapitalveränderungen grundsätzlich zu einer entsprechenden Veränderung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos. Diese Eigenkapitalzugänge stellen keine Rücklagen dar und unterliegen daher bei ihrer Auflösung nicht der Kapitalertragsteuer. Rücklagen in diesem Sinne stellen nur solche Gewinne dar, die in Wirtschaftsjahren erwirtschaftet und stehengelassen worden sind, in denen die oben genannten Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen erfüllt sind. Zusätzlich erhöhen nachgewiesene Einlagen, die zum Verlustausgleich in den jeweiligen Wirtschaftsjahren geleistet worden sind, den Bestand des steuerlichen Einlagekontos.
Das BMF-Schreiben gibt hierzu noch ein Beispiel:
Ein BgA (Regiebetrieb) erfüllt im Jahr 01 nicht die Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) Satz 1 Halbsatz 2 EStG (sog. Unterjahr) und erwirtschaftet einen Gewinn von 10T €. Dieser handelsrechtliche Gewinn steht durch Stehenlassen dem Regiebetrieb als Eigenkapital zur Verfügung. Im Jahr 02 erfüllt der BgA die Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) Satz 1 Halbsatz 2 EStG (sog. Überjahr) und erwirtschaftet einen Gewinn von 40T €, der den Rücklagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) Satz 1 EStG zugeführt wird. Die Gewinne aus dem Jahr 01 und 02 i. H. v. insgesamt 50T € werden in 03 für Zwecke außerhalb des BgA verwendet.
Im Jahr 01 liegt ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i. H. v. 10T € vor. Das „Stehenlassen“ in einem sog. Unterjahr gilt nicht als Rücklagenbildung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) Satz 1 EStG.
In 02 führt das Stehenlassen des Gewinns im Überjahr zur Bildung einer Rücklage nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) Satz 1 EStG. Der Bestand des Einlagekontos erhöht sich nicht. Der maßgebliche ausschüttbare Gewinn zum Schluss des Wirtschaftsjahrs 02 beträgt nach § 27 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Abs. 7 KStG: 40T € (Eigenkapital 50 T€ ./. Nennkapital 0 € ./. Einlagekonto 10 T € = 40 T€).
Die Gewinnverwendung im Jahr 03 ist insgesamt als Leistung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG zu behandeln. Sie löst den Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) Satz 2 EStG und damit eine Kapitalertragsteuerpflicht, vorbehaltlich der Anwendung des § 27 Abs. 5 KStG, nur insoweit aus, wie die Verwendungsrechnung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG nicht zu einer Verwendung des steuerlichen Einlagekontos führt. Vorliegend unterliegt daher nur ein Betrag von 40T € und damit der im Überjahr 02 erwirtschaftete Gewinn der Kapitalertragsteuer, nicht jedoch der Restbetrag i. H. v. 10T €, der dem im Unterjahr erwirtschafteten Gewinn entspricht. Ob der BgA im Abflussjahr 03 die Buchführungs- oder Betragsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) Satz 1 Halbsatz 2 EStG erfüllt oder nicht, hat auf die steuerliche Beurteilung des Beispielfalls keine Auswirkung.
Welche Auswirkung hat die Neuregelung für die Praxis?
Grundsätzlich wird durch das verbindliche Feststellen des steuerlichen Einlagekontos Rechtssicherheit im Hinblick auf dessen Entwicklung für BgA hergestellt.
Die Herausforderung besteht nun darin, dass mit der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2022 ein Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos ermittelt werden muss. Dieser ist zu Beginn des Jahres 2022 zu ermitteln und besteht aus den tatsächlich geleisteten Einlagen (insbesondere Wirtschaftsgüter z. B. bei Gründung) zuzüglich aller Verlustausgleiche ab 2001 sowie zuzüglich aller stehengelassener Gewinne in sog. „Überjahren“, die zu einer Rücklagenbildung geführt haben und abzüglich aller aufgelösten Rücklagen.
Die Vereinfachungsregelung, hierfür als Ausgangspunkt einfach den Bestand des Eigenkapitals (ohne Nennkapital) anzusetzen, ist zwar grundsätzlich erfreulich, führt aber bei BgA, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmeüberschussrechnung ermitteln, zu dem nächsten praktischen Problem. Ein Eigenkapital gibt es hier nicht. Dieses müsste daher analog Rz. 27 des o. g. BMF-Schreibens vom 28.01.2019 geschätzt werden.
Außerdem könnte es problematisch werden, die notwendigen aussagekräftigen Unterlagen aus den Jahren ab 2001 bei den Trägerkörperschaften noch aufzufinden. Da dieser Zeitraum über zwanzig Jahre zurück reicht, sind die steuer- und kommunalrechtlichen Aufbewahrungsfristen in der Regel bereits lange abgelaufen. Beträge, die nicht mehr bekannt sind und nicht belegt werden können, werde vom Finanzamt auch nicht als Bestand des steuerlichen Einlagekontos anerkannt werden. Überhaupt wird sich zeigen müssen, wie genau die Finanzämter bei der Ermittlung des Anfangsbestandes prüfen werden.
Insgesamt ist es immer im Interesse des Steuerpflichtigen, den Bestand des steuerlichen Einlagekontos möglichst hoch zu ermitteln. Wenn der Bestand durch Bescheid des Finanzamtes zu niedrig festgestellt ist, gibt es nur noch in wenigen Ausnahmefällen die Möglichkeit der rückwirkenden Korrektur. Daher sollte die (erstmalige) Ermittlung des Bestandes für das Jahr 2022 nicht halbherzig durchgeführt werden. Ein vollständiger und möglichst hoher Bestand des steuerlichen Einlagekontos kann in der Zukunft bei Ausschüttungen oder auch erst bei Beendigung des BgA zu einer erheblichen Reduzierung eventueller Steuerforderungen des Finanzamtes führen.
Wenn Sie Fragen zum steuerlichen Einlagekonto, zu dessen Ermittlung bei Betrieben gewerblicher Art oder anderen steuerlichen Themen haben, dann nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf.