Forderungen aus Lieferungen und Leistungen – Entwicklung von Bilanzansätzen anhand der Beurteilung von praktischen Fallbeispielen

Der Posten Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erfasst alle Ansprüche aus Geschäftsvorfäl­len, die im Rahmen der üblichen Umsatztätigkeit des bilanzierenden Unternehmens von diesem be­reits erfüllt sind, bei denen die Gegenleistung (Geldeingang) des Geschäftspartners jedoch noch aus­steht. Erfasst werden damit alle noch nicht beglichenen Rechnungen mit Umsätzen bis zum Bilanz­stichtag.

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gehören zum Umlaufvermögen gem. § 247 Abs. 2 HGB (Umkehrschluss) und werden dort unter dem Posten „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“, § 266 Abs. 2 B II 1 HGB bilanziert.

Die Bewertung erfolgt grundsätzlich einzeln, § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, mit den Anschaffungskosten (Nennwert der Forderung im Zeitpunkt des Entstehens) bzw. dem niedrigeren beizulegenden Wert/Teilwert, § 253 Abs. 1 und 4 HGB im Handels- und im Steuerrecht, § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Zudem können die vermeintlich vollwertigen Forderungen zwecks Abgeltung eines am Bilanzstichtag noch nicht vorhersehbaren Risikos pauschal wertberichtigt werden. Hierbei kann somit vom Grund­satz der Einzelbewertung abgewichen werden, § 252 Abs. 2 HGB.

Steuerrechtlich ist eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert nur bei einer voraussichtlich dau­ernden Wertminderung möglich, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG.

Für die folgenden – noch nicht beurteilten – Sachverhalte fungiert die erdachte „Forderungs GmbH“ als Beispielunternehmen. Die Sachverhalte werden ausschließlich aus ihrer Sichtweise analysiert. Es wird davon ausgegangen, dass die GmbH der Sollbesteuerung gem. § 16 Abs. 1 UStG unterliegt. Der vorläu­fige Forderungsbestand nach Berücksichtigung einer Pauschalwertberichtigung in Höhe von 1.000,00 EUR (aus dem Vorjahr) weist einen Stand von 100.000,00 EUR auf. Der Gesamtbetrag der Forderun­gen aus umsatzsteuerfreien Ausfuhrlieferungen betrug 28.050,00 EUR und ist in dem angegebenen Wert enthalten. Die Forderungen gegen die inländischen Kunden beinhalten stets 19 % USt.

Sachverhalt 1

Am 27. Dezember 2023 erfolgt eine Lieferung von Büromöbeln an die TBR GmbH. Die von der Forde­rungs GmbH am 02. Januar 2024 erstellte (ordnungsgemäße) Rechnung lautet über:

Büromöbel 5.000,00 EUR
zzgl. 19 % USt 950,00 EUR
Gesamtbetrag: 5.950,00 EUR

 

Der Vorgang wurde im Januar 2024 gebucht und dem Geschäftsjahr 2024 zugeordnet. Die TBR GmbH zahlt die Rechnung ebenfalls im Januar 2024.

Beurteilung

Mit der Lieferung an die TBR GmbH wird der Umsatz realisiert und der Betrag ist als Forderung zum 31. Dezember 2023 in der Bilanz auszuweisen. Das Prinzip der Gewinnrealisierung gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB gilt. Auf den Zeitpunkt der später erstellten Rechnung kommt es nicht an.

Sachverhalt 2

Am 06. Januar 2024 wurde bekannt, dass der Kunde XY (Einzelunternehmer aus Leipzig) wegen eines Brandes in seinem Betrieb am 03. Januar 2024 diesen zum 01. Februar 2024 einstellen muss. Es ist vorerst nicht damit zu rechnen, dass die Produktion bei XY fortgeführt werden kann. Es muss mit einem vollständigen Ausfall der Forderung gerechnet werden. In dem Forderungs­bestand zum 31. Dezember 2023 ist die Forderung mit einem Wert in Höhe von 10.700,00 EUR ent­halten.

Beurteilung

Das Ereignis, das zur Unternehmensschließung führt, tritt erst im Jahr 2024 ein. Somit ist zum 31. De­zember 2023 keine Einzelwertberichtigung dieser Forderung vorzunehmen. Am 31. Dezember 2023 war die Forderung noch vollwertig.

Es handelt sich hierbei nicht um eine wertaufhellende Tatsache, sondern um eine wertbegründende Tatsache. Diese ist am Bilanzstichtag nicht im Rahmen der besseren Erkenntnis gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB zu berücksichtigen.

Eine abweichende Beurteilung wäre vorzunehmen, wenn sich der Brand im Betrieb vor dem Bilanz­stichtag ereignet hätte (z. B. am 27. Dezember 2023). Dann wäre die Forderung als uneinbringlich zu bewerten und eine Wertberichtigung vorzunehmen (siehe hierzu auch Sachverhalt 3).

Sachverhalt 3

Die Forderungs GmbH hat in Erfahrung gebracht, dass der Kunde „X & Y GbR“ in ernst­hafte Zahlungsschwierigkeiten geraten ist. Man geht davon aus, dass die Vergleichsquote 50 % betra­gen wird. Die Forderung gegenüber der „X & Y GbR“ beträgt 17.850,00 EUR.

Beurteilung

Es liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Wertminderung vor (Zahlungsschwierigkeiten des Kun­den). Dadurch ist die Forderung um 50 % einzelwertzuberichtigen. Eine Korrektur der Umsatzsteuer ist nicht vorzunehmen, da noch keine Uneinbringlichkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG eingetreten ist.

Berechnung

Forderung „X&Y GbR“ 17.850,00 EUR
– USt 19 % 2.850,00 EUR
  15.000,00 EUR
davon 50 % 7.500 EUR

 

Exkurs: Sollte die GbR zahlungsunfähig sein, müsste die Forderung zu 100 % wertberichtigt werden. Im Hinblick auf die Umsatzsteuer wäre diese dann im Vergleich zum obigen Sachverhalt gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich und es entsteht eine Forderung gegenüber dem Finanzamt, wenn die Steuer zuvor bereits an dieses gezahlt wurde.

Sachverhalt 4

An den Kunden XYZ in Wuppertal waren im Frühjahr 2022 diverse Möbelstücke zum Preis von insgesamt 11.900,00 EUR (inkl. USt) geliefert worden. Bereits zum 31. Dezember 2022 war die Forde­rung wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei XYZ zutreffend auf 0 EUR abgeschrieben wor­den.

Mitte Dezember 2023 traf bei der Forderungs GmbH jedoch ein Schreiben des Kunden ein, in dem er mitteilt, dass sich seine Vermögenslage unerwartet gebessert habe und dass er in der Lage sei, die noch offene Forderung aus dem Jahr 2022 zu begleichen. Der Betrag ging im Februar 2024 bei der Forderungs GmbH ein.

Beurteilung

Der Grund für die in 2022 vorgenommene Abwertung ist entfallen. Somit muss die Forderung wert­aufgeholt bzw. zugeschrieben und im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2023 in Höhe von 11.900,00 EUR angesetzt werden, § 253 Abs. 5 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Die Umsatzsteuer muss in Höhe von insgesamt 1.900,00 EUR berichtigt werden, § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG und als fällige Schuld mit dem Erfüllungsbetrag unter dem Bilanzposten „Sonst. Verbindlichkei­ten, davon aus Steuern“, § 266 Abs. 3 C 8 HGB ausgewiesen werden.

Sachverhalt 5

Das nachgewiesene Ausfallrisiko bewertet die Forderungs GmbH seit Jahren zutreffend mit 2 %. Hier­für war im Vorjahr ein Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR bei den Forderungen aus Lieferungen und Leistungen als Pauschalwertberichtigung berücksichtigt worden.

Beurteilung

Forderungen bisher 100.000,00 EUR
+ Pauschalwertberichtigung bisher 1.000,00 EUR
Zwischensumme 101.000,00 EUR
+ Forderung TBR GmbH 5.950,00 EUR
– Forderung „X&Y GbR“ (EWB) 17.850,00 EUR
+ wertaufgeholte Forderung  XYZ 11.900,00 EUR
– Auslandsforderungen 28.050,00 EUR
Zwischensumme 72.950,00 EUR
– Umsatzsteuer (19 % aus 72.950,00 EUR) 11.647,00 EUR
Zwischensumme 61.303,00 EUR
+ Auslandsforderungen 28.050,00 EUR
Bemessungsgrundlage für die PWB 89.353,00 EUR
Höhe der pauschalen Wertberichtigung 2 % 1.787,00 EUR
Bisher wurden berücksichtigt 1.000,00 EUR
PWB muss erhöht werden um 787,00 EUR

 

Ermittlung des Bilanzansatzes Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

Forderungen bisher 100.000,00 EUR
+ PWB bisher 1.000,00 EUR
+ Forderung TBR GmbH 5.950,00 EUR
– EWB X&Y GbR 7.500,00 EUR
+ wertaufgeholte Forderung XYZ 11.900,00 EUR
– Pauschalwertberichtigung neu 1.787,00 EUR
Bilanzansatz 31. Dezember 2023 109.563,00 EUR

 

Wenn Sie Fragen zu Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, zu deren Beurteilung oder ande­ren steuerlichen Themen haben, dann nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.