Ein Betrieb gewerblicher Art (BgA) entsteht für eine juristische Person öffentlichen Rechts (jPöR) nicht nur durch klassische Gewerbetätigkeiten, sondern kann auch …
Körperschaften werden im deutschen Steuerrecht grundsätzlich auf zwei Ebenen besteuert. Zu unterscheiden sind die Gewinnerzielung und die Gewinnverteilung. Der erwirtschaftete Gewinn unterliegt dabei der Körperschaftsteuer und der verteilte (ausgeschüttete) Gewinn unterliegt der Kapitalertragsteuer. Dieses Grundprinzip gilt auch bei der Besteuerung der Betriebe gewerblicher Art (BgA) von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR).
Unsere praktische Erfahrung zeigt, dass in vielen jPöR die Regelungen zur Kapitalertragsteuer oft nur unzureichend bekannt sind und somit nicht beachtet werden können. Die zweite Ebene der Besteuerung kann jedoch ebenfalls zu Steuerzahlungen führen und somit die Liquidität von jPöR beeinflussen. Wir nehmen diese Tatsache zum Anlass für einen Fachbeitrag, um eine umfassende systematische Einführung in das Thema zu geben. Neben den ertragsteuerlichen Grundlagen gehen wir insbesondere auf verfahrensrechtliche Regelungen ein. Hierzu hat der Bundesfinanzhof (BFH) erst kürzlich in einem Urteil entscheidende Aussagen getroffen.
Die Kapitalertragsteuer und deren Auswirkungen müssen im Rahmen eines Tax Compliance Management Systems (TCMS) stets mitbetrachtet werden, damit dieses umfangreich alle steuerlichen Risiken abbilden und somit letztlich zur Haftungsbeschränkung führen kann.
Einkünfte aus Kapitalvermögen
Zunächst ist der Blick in das Einkommensteuergesetz (EStG) erforderlich, welches auch für jPöR als Grundlage anzuwenden ist. In § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) EStG wird festgelegt, was zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören […] der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn und verdeckte Gewinnausschüttungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betriebs gewerblicher Art im Sinne des § 4 des Körperschaftsteuergesetzes ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt oder Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen die Umsätze nach § 4 Nummer 8 bis 10 des Umsatzsteuergesetzes, von mehr als 350 000 Euro im Kalenderjahr oder einen Gewinn von mehr als 30 000 Euro im Wirtschaftsjahr hat, sowie der Gewinn im Sinne des § 22 Absatz 4 des Umwandlungssteuergesetzes.
Diese Regelung gilt für BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit, also im Wesentlichen Regie- oder Eigenbetriebe von jPöR. Erwirtschaftet ein solcher BgA einen Gewinn, der durch Betriebsvermögensvergleich (Steuerbilanz) ermittelt wird, oder der die Umsatzgrenze von 350.000 Euro oder die Gewinngrenze von 30.000 Euro übersteigt, liegen grundsätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen vor. Maßgeblich ist für die Prüfung der Gewinngrenze an dieser Stelle der Steuerbilanzgewinn und nicht der nach einer eventuellen Einnahmeüberschussrechnung ermittelte Gewinn. Hierzu haben wir erst kürzlich in unserem Newsletter zu einem aktuellen Urteil des Thüringer Finanzgerichts informiert.
Die Regelung gilt weiterhin für verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und den sog. Einbringungsgewinn nach § 22 Abs. 4 UmwStG. Eine vGA liegt – vereinfacht formuliert – in solchen Fällen immer dann vor, wenn wirtschaftliche Vorteile auf Veranlassung der jPöR aus dem Bereich des BgA in den nichtwirtschaftlichen (hoheitlichen) Bereich der Trägerkörperschaft abfließen. Auch die dauerhafte Erwirtschaftung von Verlusten im BgA kann grundsätzlich zu einer vGA führen. Ausnahmen bilden die sog. Dauerverlustgeschäfte nach § 8 Abs. 7 KStG, bei denen aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird.
Durch Rücklagenbildung im BgA kann die Versteuerung grundsätzlich vermieden werden. Hierzu ist jedoch ein gesonderter Beschluss für die steuerliche Rücklagenbildung innerhalb des BgA notwendig. Durch die Bildung von Rücklagen kann die Versteuerung auch nicht vermieden, sondern nur in die Zukunft verschoben werden, denn die Auflösung der Rücklagen führt im Zeitpunkt der Auflösung ebenfalls zu Einkünften aus Kapitalvermögen.
Keine Einkünfte aus Kapitalvermögen liegen vor, soweit für einen maßgeblichen Gewinn das steuerliche Einlagekonto verwendet wird. Soweit der Bestand des steuerlichen Einlagekontos (zulässigerweise) verwendet wird, handelt es sich nicht mehr um eine steuerpflichtige Gewinnausschüttung, sondern um eine steuerfreie Einlagenrückgewähr. Zum steuerlichen Einlagekonto für BgA haben wir bereits einen >gesonderten Fachbeitrag< verfasst.
Die genannten Regelungen sind ebenfalls bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (wiGB) von gemeinnützigen BgA entsprechend anzuwenden. Erfüllt ein BgA steuerbegünstigte (gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche) Zwecke, so unterliegt dieser grundsätzlich nicht der Ertragsbesteuerung. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn innerhalb des BgA ein eigenständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird, der keinen Zweckbetrieb darstellt und dessen Einnahmen die Grenze von 45.000 Euro übersteigen. In diesen Fällen wird der BgA nur mit seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb besteuert. Dieser unterliegt dann der Körperschaftsteuer und ebenfalls der Kapitalertragsteuer. Diese Regelung führt in der Konsequenz dazu, dass nur ein Teil (wiGB) eines Teils (BgA) der jPöR steuerlich relevant ist. Die Regelungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (Umsatz- und Gewinngrenze, Rücklagenbildung, steuerliches Einlagekonto) gelten in diesen Fällen nur auf den wiGB bezogen.
Kapitalertragsteuer
Die oben beschriebenen Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen nach § 43 Abs. 1 Nr. 7c EStG der Kapitalertragsteuer. Diese beträgt nach § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den genannten Fällen bei BgA 15 % des jeweiligen Kapitalertrags. Für die Entrichtung der Kapitalertragsteuer gilt im Falle von BgA die Sonderregelung nach § 44 Abs. 6 EStG. Danach erfolgt eine klare Trennung des BgA einerseits und der jPöR andererseits. Ein BgA ist für steuerliche Zwecke von der Trägerkörperschaft verselbstständigt anzusehen. Auch wenn der BgA keine eigene Rechtspersönlichkeit aufweist, wird er im Steuerrecht als eigenes Steuersubjekt betrachtet. Der BgA ist eine steuerliche Fiktion. Das Verhältnis des BgA zur jPöR ist vergleichbar mit dem Verhältnis einer Gesellschaft (z. B. GmbH) zu ihrem Gesellschafter.
Hinsichtlich der Kapitalertragsteuer gilt die jPöR als Gläubiger und der BgA als Schuldner der Kapitalerträge. Das bedeutet, dass der BgA seinen Gewinn fingiert an die jPöR ausschüttet. Hierfür wird weder ein Beschluss, noch eine tatsächliche Zahlung vorausgesetzt. Diese Gewinnausschüttung erfolgt auf der steuerlichen Ebene grundsätzlich automatisiert.
Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zu anderen (privaten) Steuersubjekten. Eine GmbH schüttet den Gewinn erst nach Beschluss an die Gesellschafter aus. Auch erst in diesem Zeitpunkt fällt dort Kapitalertragsteuer an. Da ein BgA jedoch nur als steuerliche Fiktion existiert, wird auch die Gewinnausschüttung fingiert.
Entscheidend ist in der Praxis der zeitliche Rahmen, den § 44 Abs. 6 Satz 2 EStG festlegt:
Die Kapitalertragsteuer entsteht, auch soweit sie auf verdeckte Gewinnausschüttungen entfällt, die im abgelaufenen Wirtschaftsjahr vorgenommen worden sind, im Zeitpunkt der Bilanzerstellung; sie entsteht spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres;
Die achtmonatige Maximalfrist führt dazu, dass spätestens mit Ende des Monats August des Folgejahres die Kapitalertragsteuer für das Vorjahr entsteht. Diese ist grundsätzlich bis zum 10.09. gegenüber dem Finanzamt mittels Steueranmeldung zu erklären und zu zahlen. Wird für den BgA eine Steuerbilanz aufgestellt, kann der Zeitpunkt, zu dem die Kapitalertragsteuer entsteht, noch früher liegen.
Aktuelles BFH-Urteil zu verfahrensrechtlichen Fragen
Der BFH hat mit Urteil vom 11.12.2024, VIII R 24/23, entschieden, dass die Regelung des § 44 Abs. 6 EStG auch im verfahrensrechtlichen Sinne konsequent anzuwenden ist.
Die Kernaussage des Urteils ist, dass ein wiGB für Zwecke der Kapitalertragsteuer stets als Schuldner der Kapitalerträge anzusehen ist. Wird die Kapitalertragsteuer nicht zutreffend angemeldet, kann sie durch das Finanzamt grundsätzlich allein durch einen Nachforderungsbescheid, nicht aber durch einen Haftungsbescheid geltend gemacht werden.
Kläger war ein Berufsverband, der grundsätzlich steuerbefreit war, aber einen wiGB unterhielt. Dieser wiGB hatte im maßgeblichen Zeitraum die Gewinngrenze nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Bst. b) EStG überschritten, sodass Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlagen. Anmeldungen zur Kapitalertragsteuer wurden zunächst nicht eingereicht und später – nach Aufforderung durch das Finanzamt – Steuer in Höhe von 0 Euro erklärt. Das Finanzamt stellte später fest, dass Kapitalertragsteuer zu zahlen gewesen wäre und erließ entsprechende Haftungsbescheide gegen den Berufsverband. Hiergegen wandte sich der Berufsverband mit Einspruchs- und Klageverfahren.
In diesem Rechtsstreit wurde entschieden: Eine Haftung bei Nichterfüllung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht, soweit die Kapitalertragsteuer auf laufende Gewinne eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs entfällt, kann aus der Norm nicht hergeleitet werden.
Das Finanzamt hob die Haftungsbescheide gegen den Berufsverband auf und erließ Nachforderungsbescheide gegen den wiGB. Für diese Nachforderungsbescheide war jedoch inzwischen die Festsetzungsfrist abgelaufen, das heißt der Steueranspruch war verjährt. Der BFH hatte nun konkret zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall eine sog. „Ablaufhemmung“ nach § 171 AO greift. In diesem Fall würde die Festsetzungsfrist bis zu einem bestimmten Termin oder Ereignis nicht ablaufen. Der BFH entschied, dass dies hier nicht der Fall ist. Der Berufsverband und der wiGB sind unabhängig voneinander zu beurteilen und dürfen steuerlich nicht vermischt werden. Nur weil der Berufsverband gegen einen (falschen) Haftungsbescheid rechtlich vorgeht, bedeutet das nicht, dass beim wiGB die Verjährung gehemmt wird.
Eine Ablaufhemmung gegenüber der Trägerkörperschaft gemäß § 171 Abs. 3a AO komme nicht in Betracht. Erstens handele es sich bei dem angefochtenen Nachforderungsbescheid als Festsetzung des Steueranspruchs um einen vom Haftungsanspruch zu unterscheidenden Anspruch. Zweitens sei die Trägerkörperschaft wegen der Fiktion des § 44 Abs. 6 EStG im Verhältnis zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eine andere Person. § 171 Abs. 3a AO sehe eine personenübergreifende Ablaufhemmung jedoch nicht vor.
Vereinfacht gesagt, hatte das Finanzamt den falschen Steuerpflichtigen mit der falschen Bescheidart in Anspruch genommen und als es den Fehler bemerkte, war es für die richtigen Bescheide bereits zu spät, da der Anspruch inzwischen verjährt war.
Diese Urteilsgrundsätze sind wegen derselben anzuwendenden Vorschriften für BgA analog anwendbar.
Das Urteil zeigt, dass die zweite Stufe der Besteuerung mittels Kapitalertragsteuer auch bei BgA von entscheidender praktischer Bedeutung sein kann. Außerdem ist auch die Berücksichtigung des Verfahrensrechts und insbesondere das Thema der Festsetzungsverjährung elementar wichtig, um steuerliche Sachverhalte umfassend prüfen und einschätzen zu können.
Fazit
Die Kapitalertragsteuer stellt für BgA eine bedeutende Herausforderung dar. Die steuerlichen Rahmenbedingungen müssen sorgfältig beachtet werden und stellen nicht zuletzt einen entscheidenden Beitrag für ein angemessenes Tax Compliance Management System dar. Durch strategische Planung und gezielte Maßnahmen können jPöR in ihren BgA die Auswirkungen der Kapitalertragsteuer mindern und langfristige Risiken minimieren.
Die Komplexität des Steuerrechts erfordert zudem eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen. Abonnieren Sie hierzu gern unseren Newsletter und kommen bei Fragen rund um die Themen der Besteuerung der öffentlichen Hand auf uns zu.